Was heute die Messe in Tarmstedt ist, war 1960 in Bremen die Ausstellung „Landwirtschaft und Wirtschaft“ auf der Bürgerweide. Sie war noch nicht gepflastert. Bei Regen stapfte man durch Pfützen, und der Stand des Technischen Hilfswerks stand auf der nackten Erde. Es war ein Stahlrohrgesell mit Zeltbahnen verkleidet und einem großen Ballon oben drauf. Dort habe ich meinen Aufnahmeantrag unterschrieben. Ich war gerade 18 geworden; das Einverständnis meines Vaters war erforderlich. Er hatte den Krieg von Anfang bis zum Ende als Soldat erlebt und überlebt. Dass ich dem Wehrdienst auf diese Weise entging, war ihm ganz recht.
Meine erste Ausbildung fand noch im Keller einer ehemaligen Kaserne am Niedersachsendamm statt. Es gab noch nicht viel an Gerät, an dem ich ausgebildet wurde: Bindeleinen, Schubkarren, Schaufeln, Kreuzhacken. Und „Stiche und Bunde“, so heißen beim THW die Knoten, begleiten mich bis heute.
Das Technische Hilfswerk in Bremen wurde im Laufe der Jahrzehnte mehrfach umstrukturiert. Wie auch immer es sich auf der linken Weserseite nannte, ich gehörte der Organisationseinheit „Ortsverband Bremen-Süd“ von Anfang an an.
Wie jedes neue THW-Mitglied fing ich als Helfer an, wurde Gruppenführer, Zugführer, erwarb Qualifikation, wie Fahrberechtigungen für alle Fahrzeuge oder auch die Berechtigung zum Sprengen. Dafür musste ich Lehrgänge besuchen, in der damaligen KatS-Schule in Bassum, in Ahrweiler oder in Hoya. Das „musste“ klingt nach Zwang, aber ich habe alle Lehrgänge sehr gerne besucht. Es hätten mehr sein dürfen. Doch weil ich Lehrer war, wollte ich nur in den Schulferien „zur Schule gehen“. Die Kurse waren nie langweilig, ob es ein Helferlehrgang war, Übungen in verschneiter Winterlandschaft, ein Brückenbau über die Ahr, Sprengen eines Bahnhofs in der Eifel, Außenbordmotor-Fahren auf der Weser und Aller, Führen einer Einsatzleitung, usw. Die praktischen Anteile sind in guter Erinnerung geblieben, während es doch auch eine Menge Theorie gab.
Mein Engagement für das THW bestand darin, mich allen Anforderungen zu stellen. Das waren die Hilfeleistungen und Einsätze. Da gab es die Ruderregatten, die in den 60er Jahren noch auf der Weser stattfanden, Sprengen von Fabrikschornsteinen und Gebäuden, beim Orkan in Bremen, als ein Behelfsbau vom Dach des Columbus-Hotels am Bahnhof heruntergefegt worden war, beim Sturm, der in der Vahr Pultdächer heruntergefegt oder beim Bergen der Toten, die beim Flugzeugabsturz 1966 in Bremen ums Leben gekommen waren.
Etwas ungewöhnlich war der Einsatz beim Schullandheim Gerdshütte in Kirchseelte. Dort hatte der Sturm so viele Bäume umgeweht, dass das Heim unzugänglich war. Mit Schülern der Schule an der Regensburger Straße habe ich fünf Tage lang dort aufgeräumt. Das Ungewöhnliche war, dass das ein THW-Einsatz war, für den der damalige Landesbeauftrage das Gerät zur Verfügung stellte. Aber erst, nachdem er die Versicherung erhalten hatte, dass diese Hilfeleistung in der Zeitung auch gewürdigt würde. Sie wurde es. Meine letzte Hilfeleistung erbrachte ich beim Sprengen der Kaimauer im ehemaligen Überseehafen im Jahr 2000. Danach ist meine Berechtigung zum Sprengen erloschen. Aus gesundheitlichen Gründen konnte ich keinen Wiederholungslehrgang für die Verlängerung der Sprengberechtigung mehr machen. Fast gleichzeitig habe ich meine Aktivitäten im Ortsverband eingestellt.
In den letzten aktiven Jahren war ich fast nur in der Verwaltung tätig. Ich hatte früh mit der Datenverarbeitung angefangen. Später organisierte ich Computer für den Ortsverband und begann mit der Vernetzung des Gebäudes.
Wenn ich heute beim Ortsverband reinschaue, sehe ich, dass der Ortsverband für seine Aufgaben gut ausgestattet ist. Die Anzahl der Helfer ist aber bei weitem nicht vergleichbar mit dem Stand vor 50 Jahren. Damals konnte man sich zu einer 10jährigen Mitarbeit verpflichten, um dann nicht zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Das war ursprünglich auch mein Motiv; ich konnte mich aber bisher nicht vom THW trennen.
LD